Der Krebs ist unsere letzte große Herausforderung

Irgendwann muss doch Schluss sein mit diesem Krebsgerede. Irgendwann muss man doch wieder zum Business as usual zurückkehren. Irgendwann muss man doch wieder normal sein. Der Norm entsprechen. Dem Durchschnitt entsprechen. Dem Durchschnitt huldigen, fröhnen, entgegeneilen, in die durchschnittlich kuschelige Comfort Zone zurückdrängen. Wieder geborgen sein, in der Gruppe, Abteilung, Einheit, Einfalt, Gesellschaft. Dieser Einzelhaft mit Gittern aus Menschen. Dieser Sachzwang-behafteten Welt ohne Horizonte. Ohne Helden. Ohne Engagement und Leidenschaft.

Irgendwann muss doch wieder einfach Geld verdient, der Kunde gewonnen, der Konsum angefacht, die Profite maximiert werden. Was denn sonst sollte unser aller Antrieb sein.

Effizienz. Effektivität. Excel.
Produktivität. Powerpoint. Powerless. Pointless.

“Was für eine unglaubliche Chance kann dieser Krebs sein, mit dem richtigen Geiste angefasst, mit der richtigen Einstellung begegnet. Dem richtigen Optimismus umarmt”, schrieb ich in meiner letzten Reflexion.

Und wer sonst als Krankheit, Krebs und Tod sollten uns heute noch die Chance geben, uns, unser Denken und Handeln (besser: unser Nichtdenken und Nichthandeln), unser Gaffen und Raffen in Frage zu stellen. Unser stetiges immer mehr vom immer gleichen haben wollen.

Wer sonst als der Krebs sollte diese unendliche Langeweile hinterfragen, der wir unser Leben zu Füßen legen, um vernünftig zu erscheinen und der Liebe der Führung würdig. Diese unendliche Lethargie, die wir Karriere nennen, Leben gar.

Nur Krankheit, Krebs und Tod reißen uns heute noch aus diesem stetigen Fluss. Lassen uns sich gegen diesen Strom stemmen. Der uns alle mit sich reißt – ohne uns im geringsten mitzureißen.

Nur Krankheit, Krebs und Tod lassen uns noch innehalten und fragen, ob wir auf dem richtigen Wege sind. Ob wir überhaupt auf irgendeinem Wege sind. Oder uns nur im Rade drehen. Trippelschritt für Trippelschritt. Immer schneller. Immer blinder. Immer gleichgültiger. Immer irrationaler. Alles hinter uns lassend, was uns einst etwas bedeutete.

Nehmen wir die Herausforderung an. Geben wir unserem Leben wieder einen Sinn. Kein Gehalt, sondern einen Gehalt. Keinen profanen Profit, sondern einen relevanten Gewinn an Sinn und Bedeutung.

Nehmen wir die Herausforderung an. Trauen wir uns – und trauen wir es uns zu. Das Leben. Schauen wir dem Tod ins Auge und erkennen uns selbst. Vermissen uns selbst. In dieser absurden Hülle aus Effizienz, Vernunft, Sachzwängen und Kultur. Definieren wir uns selbst. In Unabhängigkeit, Brillanz und Relevanz. In guten und in schlechten Tagen. Gerade dann, wenn niemand guckt. Übertreffen wir uns selbst, wenn es schon sonst keiner tut. Nutzen wir die Zeit, die uns bleibt.

Ich kann mich nur wiederholen: “Was für eine unglaubliche Chance für einen Relaunch, einen Neustart, eine Wiederauferstehung des Kindes in uns, in dieser vom Leben gegerbten Hülle. Eine Wiedergeburt der Neugier, des Mutes, des Rückgrates, des Wissensdurstes. Der Bedeutung. Der Moral und Ethik. Der Disziplin, der Spontaneität, der Pflicht, der Kür. Des Spaßes, des Lachens, Weinens, Fühlens. Der Empathie. Des Menschseins. Mit dem Mitmenschen. Und nicht nur immer gegen sie und gegen ihn. …

Was für eine unglaubliche Chance kann dieser Krebs sein, mit dem richtigen Geiste angefasst, mit der richtigen Einstellung begegnet. Dem richtigen Optimismus umarmt.”