Edison: Briefe an Tesla // No.01 "Ich habe Altersweisheit"

Lieber Nikola,
Ich hoffe, es geht Ihnen gut. Zu Lebzeiten waren wir keine großen Freunde, dennoch schreibe ich Ihnen – in der Hoffnung, meine Worte erreichen Sie. Wohlwissend, Sie wollen Ruhe, keine Besuche. Die Menschheit steht vor überlebensgroßen Herausforderungen. Tesla, ich bitte Sie, wir müssen reden. Ich habe Altersweisheit:

Trotz zweier globaler Kriege wertschätzen die Menschen den Frieden nicht. In jeder Weltecke kämpfen sie gegeneinander – oder mit sich selbst – um ihr nacktes Überleben. Oft in alltäglichsten Situationen. Am Ende um sintflutliches Öl. Längst sind wir wieder Barbaren – aus niedersten Beweggründen. Ich bin zutiefst erschüttert.

Egoismus, Gier, Kurzfristdenken, Trägheit befeuern mit Macht den globalen Klimawandel. Der Krieg um das Automobil ist eindrucksvolle Spitze unserer schmelzenden Empathie. Unsere Städte ersticken an Automobilen, Abgasen, Aggressivität, unsere Ozeane an Plastik, Quecksilber, Profitgier. Als wollten wir unsere Welt schnellstmöglich vernichten.

Wir, bei allen Differenzen lieber Tesla, waren leidenschaftliche Unternehmer, Macher, Erfinder, die Menschheit voranzubringen, die Welt zum Besseren zu wenden. Armut, Krankheit, Dunkelheit zu besiegen. Licht, Erkenntnis und unerschöpfliche Energie in die Welt zu bringen. Der moderne Mensch giert nach Macht, macht nichts, rettet vor allem sich selbst.

Kein Wunder, lehrt/lernt er doch in seinen Schulen und Universitäten, nach Plan zu funktionieren, nicht nach Gusto zu kreieren. Entwickelt keinerlei Intuition für das Wesentliche, kein Gefühl für richtig/falsch. Kein Gespür für sich, für Werte und Ungeschriebene Gesetze. Kennt kein Maß und kein Ziel. Die Bildung versagt, das System erstickt Neugier, Erfindungsreichtum, Tatkraft.

Der Mensch erobert den Mond, bald den Mars, aber betreibt Automobile mit Diesel/Benzin. Politiker und ganze Industrien wehren sich mit Händen und Füßen gegen wahren Fortschritt. Zur Arbeitsplatzsicherung, sagen sie. Menschenverachtender Zynismus, sage ich. Ich entwickle seniore Sofaflucht.

Eine Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, die nicht mehr neugierig vorangeht, nicht ihre Grenzen hinausschiebt, nicht über sich hinauswächst, sich nicht neu erfindet, widerspricht allem, was unser Universum, unsere Evolution, Existenz, unser individuelles Leben, unser aller Menschsein ausmacht.

So verhindert eine zum Establishment geronnene Vergangenheit, zB die Elektrifizierung unserer Automobile und Städte. Schmutzige Profite aus sintflutlicher Kohle/Erdöl, gar Uran, bremsen uns, dezentral saubere Energie aus Sonne, Wind, Wasser, der Atmosphäre, wie Sie experimentierten, lieber Tesla, zu gewinnen. Rockefellers Nachfahren versagten kläglich.

Also scheiterte meine Vision, unsere Städte durch Elektrifizierung in Stätten pulsierender Vielfalt, Bewegung/Begegnung zu verwandeln. Tags herrscht das Automobil, nachts dunkle Dämonen.
Man spart an Licht, sozialer Wärme, Lebensraum, verschließt der Menschen Parks und Plätze. Man spart schmutzige Energie, statt saubere zu nutzen! Wer bloß hindert die Menschen am Denken!? Meine Nachfahren versagten kläglich.

Seit 1910 könnte meine Batterie saubere Automobile, Flugzeuge, Schiffe unabhängig vom Diesel/Benzin antreiben. Deja vu meines Kampfes für Strom und Glühbirne, gegen Gas- und Öllampe. Das Automobil von heute atmet den Geist von gestern. Fords Nachfahren versagten kläglich.

Allüberall fehlen Ihre Visionen, lieber Tesla, und – in aller Bescheidenheit – meine Art, zu entwickeln, voranzutreiben, zu vermarkten: Kreativität und Innovation. Es fehlen unternehmerischer Mut, politischer Wille, gesellschaftliche Zivilcourage. Hier ist vieles so unendlich schwerfällig – dabei könnte alles so eindrucksvoll einfach sein.

Seit ich Sie 1884 in meinen Hallen traf, lieber Nikola, gingen Sie mir nicht mehr aus dem Kopfe. Lassen Sie uns die Welt wieder elektrisieren! Ich habe längst tote Hummeln im Hintern, und Sie? Erwecken wir sie gemeinsam zu neuem Leben.

Ihr
Thomas A Edison

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