Eine kurze Anekdote dazu, wie wir manchmal den Teufel mit Beelzebub austreiben. Denn ich bin inzwischen weitaus höher als der Durchschnitt der Bevölkerung verstrahlt – ob meiner Therapie selbst und der Untersuchungen, die den Erfolg dieser Therapie validieren sollen. Strange Stuff. Die Anekdote:
Zum PET-CT kommt man nüchtern, bekommt radioaktiven Zucker gespritzt, muss eine Flüssigkeit über eine Stunde verteilt trinken, erhält eine Kochsalzinfusion, um die Nieren überleben zu lassen.
Die radioaktive Spritze bringt ein Arzt in einem bleiernen Kästchen. Die Spritze selbst scheint auch aus Blei. Ein anderer Arzt spritzt die Radioaktivität in Dich hinein und trägt am Ringfinger der Arbeitshand ein Dosimeter – zusätzlich zum Geigerzähler in der Brusttasche, der Laut gibt, sobald der Arzt sich diesem mit der radioaktiven Spritze nähert.
Man setzt mich in ein Wartezimmer, damit ich obige Flüssigkeit genießen kann. Die nette Omi dort guckt derart traurig, dass ich sie nach dem Grund frage.
Die nette Omi verlor vor zwei Jahren ein Fingerglied an ihren Krebs, wurde lange verschont, nun ist ihre Nase befallen. Sie ist entsprechend geknickt.
Ich erkläre ihr, ich hätte im ganzen Körper, in der Leber, dem Knochenmark Krebs gehabt, und den hätte man auch in den Griff bekommen. Sie vertraut mir. Jetzt bekommt sie ihre intravenöse Strahlendosis.
Inzwischen hat man einen Mann hineingeschoben, dessen Zeigefinger und verschiedene Zehen abfaulen. Auf der Krebsstation scheinen Scham, Respekt und Privatsphäre Fremdwortlinge. Mir vergeht der Appetit auf meine Banane, die ich als Belohnung für inzwischen mehr als 12 Stunden pure Nüchternheit bei mir trage. Der Mann ist ganz nett, aber auch ganz schön verzweifelt.
Die Omi kommt wieder rein, strahlend vor Radioactivity.
Sie sagt, ich sei sehr sympathisch, und sie unterhalte sich gerne mit mir, aber wir müssten jetzt schweigen. Das mache meine sonore, beruhigende Stimme, erklärt mir später mein Professor.
Sie hat recht, wie sich später in der Untersuchung zeigt: meine Stimmbänder leuchten radioaktiv im Siemensgerät. Bewegte Muskeln ziehen den Zucker an. So wie der Krebs. Seine Lieblingsnahrung. Think about it.
Zu uns gesellen sich ein junger Junge und sein väterlicher Vater. Ersterer ist bereits radioaktiv gespritzt, letzterer ein wenig hyperaktiv, die uns anderen verordnete Lethargie ausgleichend.
Ein Arzt kommt herein und bittet den Vater hinaus. Er möge bitte auf einem Stuhl im Flur warten, die Radioaktivität im Wartezimmer sei zu hoch.
Äh, und wir vier? Das strahlende Quartett? Hallo? Warum trennt man uns nicht wenigstens? Vier Radio Gagas, die um die Wette strahlen. Insgeheim taufen wir das Wartezimmer um in Klein-Fukushima, denn Fukushima bedeutet im Japanischen ‘Glücksinsel’. Der durchschnittliche Euphemismus einer Kultur, die längst wieder der Barbarei verfallen ist.