Ganz Deutschland gewinnt in Cannes ‘nur’ 34 Löwen – beim ADC jedoch gewinnt eine Agentur, Heimat, 48(!) Ehrungen. Finde den Fehler! Nun, es sind drei.
Trotzdem natürlich Glückwunsch an Heimat.
1. Kreativität ohne Relevanz!? – #stopmakingsense
“Es zählt ausschließlich die kreative Leistung”. Dieser zentralste ADC-Satz ist ein trotziges Statement des forcierten Weiter-so. Kreativität um ihrer selbst willen. Doch Kreativität ohne Effektivität ist Kreativität ohne Relevanz.
Diese Effektivität wäre messbarer als die ADC-Definition von “Exzellente kreative Kommunikation”: ” … hat eine Idee. … ist verständlich. … ist überzeugend. … ist handwerklich perfekt. … macht Freude. … ist dienlich. … ist weder rassistisch noch diskriminierend.” Doch so kann der ADC nicht werten. Da bräche sein Geschäftsmodell zusammen – in welchem jährlich 800 Mitglieder zum Festival rufen, knapp 450 Jurorïnnen aus ihrer Mitte wählen, sie auf 30 Jurys à 15 Menschen verteilen, um knapp 400 Ehrungen am Fließband auszuspucken. Das große Mitgliedschaftsversprechen. Ein Teufelskreis. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die einst so hoch gehaltene Fahne Kreativität wird im ADC-Alltag mit Füßen getreten. So verspricht man unter “Eure Benefits” nur Profanes: “umfangreiche Möglichkeiten der Vermarktung”, “medienwirksame Präsenz”, “Reichweite, Reichweite, Reichweite”, “dauerhafte Präsenz”, “Sichtbarkeit”, “Präsenz im Metaverse”, “Content für die eigene Kommunikation”, “Nagel … als absoluter Hingucker für Euer (Home-)Office”, “internationales Rampenlicht”.
Da geht es nicht um Kreativität, sondern Kommerz – und des Kreativen Ego.
– Relevanz dagegen bekäme der ADC, bekäme die Kreativität Relevanz, nicht der Kreative. Wäre die Effektivität, ihre Messbarkeit und Vergleichbarkeit Nukleus des kreativen Kräftemessens.
– Relevanz dagegen bekäme der ADC, bekäme die Jury Relevanz über die Grenzen deutscher Kreativität hinaus.
Eine internationale Jury à la Cannes brächte die deutsche Kreativität – und die Kreativen – eher an die internationale Spitze als eine fast inzestuöse deutsche Jury.
Dies zeugte nicht allein von wahrer Größe, sondern befähigte auch zu dieser.
2. Kreativität ohne Haltung!? – #biggerpicturegreatergood
A propos Größe: Kreativität ist das höhere Gut gegenüber einer sich selbst ad absurdum führenden Vermarktungsmaschine für Kreative.
Dem ADC fehlt hier ein wenig Demut vor der Kreativität als solcher.
Kreativität hat mehr verdient. Kreative haben mehr verdient. Sie könnten so viel mehr er/schaffen als die Kreativität auf Raten in Schönheit sterben zu lassen.
Kreative könnten einen Unterschied machen.
Wir brauchen eine Kreativität der Problemlösung, der Formulierung der ganz großen Fragen, und Antworten. Eine Kreativität der Werte, die Welt zum Besseren zu wenden. Des Rückgrates, der Haltung, des zivilcouragierten Ungehorsams.
Kein Kommerz schiebt Grenzen hinaus, erweitert Horizonte, stellt die Comfort Zone infrage, kreiert Zukünfte und Utopien, Visionen wie wir leben wollen.
Kommerz will immer nur immer mehr des immer Gleichen. Wie der Krebs.
– Haltung bekäme die Kreativität, versteckte sie sich nicht länger fernab aller Realität in ihrer ‘Rosamunde Reklame’-Blase.
3. Kreativität ohne Frauen!? – #detoxorbetox
A propos Haltung: “Die ADC Jury ist … die höchste Instanz für kreative Kommunikation in Deutschland.” – Warum ist dann die ADC-Jury noch immer nicht paritätisch besetzt?
– Es wird Zeit, die ‘zweite Hälfte der Gesellschaft’ in die ADC-Jury zu holen. Die “höchste Instanz für kreative Kommunikation in Deutschland” sollte sich nicht länger herausreden.
– Besser noch, es nähme sich jeder Einzelne zum Wohle seines ADC zurück. Überließe jeder Einzelnen einen Jury-Platz. Ermöglichte damit eine Jury aus Frauen und internationalen Jurorïnnen.
Ich wünsche mir ein vorbildhaftes Vorangehen des ADC in allen Dimensionen der Kreativität. In jedem Moment. Vor allem, wenn gerade niemand guckt.
Wünsche mir eine neue Kreativkultur – mit dem ADC als Protagonisten.
Solange dies nicht geschieht, gewinnt der Kommerz, verliert die Kreativität.